07.11.2022

„Es wird Lohndumping betrieben!“ - Ein Interview über Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer

Alle suchen Lkw-Fahrer und Lkw-Fahrerinnen – Diana Krug bildet sie aus. Die Koordinatorin für den Ausbildungsbereich Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer am Berufskolleg Simmerath weiß, was diesen Beruf attraktiv macht, was gegen Fahrermangel getan werden muss und wie sie den Nachwuchs dazu motiviert, am Ball zu bleiben.


Frau Krug, wie sind Sie selbst dazu gekommen, Berufskraftfahrerinnen und -fahrer auszubilden?


Ich komme aus einer Fahrer- und Speditionsfamilie, bin gelernte Speditionskauffrau und habe mehrere Jahre als Disponentin gearbeitet. Dann wollte ich mich weiterentwickeln und noch studieren, habe Wirtschaftswissenschaften und Politik auf Lehramt belegt, mit dem Schwerpunkt nachhaltige Mobilität. In die Lehre bin ich gegangen, weil ich einerseits aus meiner Ausbildungszeit weiß, dass Lehrerinnen und Lehrer auf Lebenswegen viel Unheil anrichten können – und weil ich andererseits auf meinem zweiten Bildungsweg sehr guten Pädagoginnen und Pädagogen begegnet bin. Ich wollte es ebenfalls gut machen und junge Menschen auf ihrem Weg begleiten.

Welche Menschen sitzen da vor Ihnen – wer entscheidet sich heute, diesen Beruf zu ergreifen?


Vom Alter her ist eine breite Spanne vertreten, von 16 Jahren bis Mitte 30. Bei den Jüngeren gibt es in der Regel einen familiären Hintergrund: Da ist der Vater Berufskraftfahrer, oder die Mutter arbeitet in einer Spedition. Die Älteren haben oft schon eine Ausbildung gemacht, sind in ihrem aktuellen Beruf unzufrieden oder möchten aus anderen Gründen neu anfangen: Sie haben sich bewusster für diesen Weg entschieden.

Was macht den Beruf für Sie aus?

Zum einen ist er wirklich abwechslungsreich: Wer im Fernverkehr fährt, lernt Menschen aus vielen Ländern und Kulturkreisen kennen, mit ihren Sitten und Gebräuchen. Gleichzeitig hat man auch seine Ruhe, ist oft alleine unterwegs. Und der Job ist technisch sehr spannend: Viele unserer Auszubildenden erzählen, dass sie schon immer gern an Autos rumgeschraubt und sich für die Details interessiert haben. Als Berufskraftfahrerin oder -fahrer kann man das alles verbinden: Man darf eigenverantwortlich fahren, hat Kontakt zu Menschen und arbeitet mit spannender Technik.

Nichtsdestotrotz gibt es Herausforderungen – welche stehen für Sie im Vordergrund?

Wir müssen es einfach ganz klar benennen: Es wird Lohndumping betrieben! Obwohl Berufskraftfahrer und -fahrerinnen eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit haben, die stark mit Verkehrssicherheit verbunden ist, werden sie oft nicht angemessen bezahlt. Die öffentliche Wahrnehmung entspricht ebenfalls nicht der Realität: Viele denken immer noch, man fährt doch nur, wozu braucht man da eine Ausbildung? Hinzu kommt, dass die Fahrerinnen und Fahrer an der Rampe immer noch oft von oben herab betrachtet werden. Da müssen auch die Empfänger der Ware umdenken und mehr tun. Viele Gemeinden stellen nicht genug Parkplätze bereit, und dann werden auch noch mögliche Stellflächen in Gewerbegebieten durch große Steine oder Poller bewusst für Lkw blockiert. Die Männer und Frauen hinterm Steuer finden viel zu wenige Möglichkeiten, günstig zu übernachten, es fehlt an sanitären Anlagen und Pausenplätzen. Das finde ich bestürzend. In der Corona-Pandemie waren teilweise sogar Raststätten geschlossen, und Fahrerinnen und Fahrer durften trotzdem in den Unternehmen nicht mal auf die Toilette gehen. So was darf es nicht geben!

Dabei ist die Relevanz ihrer Arbeit in der Corona-Pandemie sehr deutlich geworden.

Ja, genau: Der Beruf ist wichtig! Ich ziehe immer den Vergleich zum menschlichen Kreislaufsystem: Wenn die Adern unsere Straßen sind, dann sind die Fahrerinnen und Fahrer das Blut – ohne sie würde nichts laufen, unsere Volkswirtschaft würde sterben. Die Politik muss handeln, es ist fünf vor zwölf! Ich selbst möchte mich deshalb auch in Zukunft verstärkt engagieren, unter anderem beim Verein PROFI – Pro Fahrer-Image, der sich für ein besseres Image des Berufs und gute Arbeitsbedingungen einsetzt. Fahrer und Fahrerinnen sind die Stütze unserer Gesellschaft, und wir müssen einfach mehr für sie tun. Dafür ist dieser Verein zum Beispiel eine gute Anlaufstelle.

Was raten Sie Ihren Schülerinnen und Schülern, die sich für den Beruf entschieden haben?

Wenn sie ihre Erfüllung hinterm Steuer gefunden haben und weiterhin fahren wollen, sollten sie selbstbewusst sein und mehr Gehalt verhandeln. Viele Ausbildungsbetriebe haben erkannt, dass sie sich für den Nachwuchs einsetzen müssen, und bieten zum Beispiel für Auszubildende hausinternen Unterricht an oder geben ihnen schon einen eigenen Lkw. Als Schule unterstützen wir die angehenden Fahrerinnen und Fahrer auch und versuchen bei Konflikten frühzeitig eine Lösung zu erarbeiten, damit sie am Ball bleiben. Darüber hinaus sollte man sie motivieren, Entscheidungspositionen anzustreben, in denen sie selbst etwas bewirken können. So können sie sich zum Beispiel in der Fuhrparkleitung für bessere Arbeitsbedingungen im Team einsetzen.

Was sollten junge Bewerberinnen und Bewerber mitbringen, um in diesem Beruf erfolgreich zu sein?


Spaß am Fahren, das ist sicher die Grundlage. Außerdem Spaß an der Technik. Und man darf sich nicht zu schade sein, auch mal mit anzupacken. Man sollte kommunikativ sein, um gut mit den Verladern und Empfängern sprechen zu können. Man repräsentiert ja schließlich den Frachtführer –und damit sollte man auch verantwortungsvoll umgehen.

Dass man mit der abgeschlossenen Ausbildung heute oder morgen keinen Job findet, darüber muss man sich wahrscheinlich keine Sorgen machen, oder?


Nein, da muss man sich überhaupt keine Sorgen machen.





Quelle: https://motionist.com/es-wird-...